Reizklima in der Pfalz
Okt 23rd, 2009 | By admin | Category: Was bisher geschah
Ausgerechnet in der pfälzischen Heimat von SPD-Chef Kurt Beck regiert der erste Linkspartei-Bürgermeister Westdeutschlands.
Robert Drumm ist keiner, der „Frittenbuden verstaatlichen will“. Der „reinen Lehre“ wegen ist das ehemalige SPD-Mitglied nicht in die Linkspartei eingetreten. Seit 1993 lenkt er die Geschicke des westpfälzischen Ruthweiler. Dreimal ist Drumm seitdem per Direktwahl im Amt bestätigt worden. „Ich bin kein Kommunist und ich habe nie jemanden beschissen“, sagt Drumm an die Adresse der Zweifler und Kritiker gerichtet. Denn die gibt es natürlich: Der SPD hatte er bei seinem Eintritt in die Linke lange den Rücken gekehrt – bereits zum zweiten Mal. Auch bei den Grünen oder den Freien Wählern fand er keine dauerhafte politische Heimat.
Seitdem Drumm im Juni 2007 als erster Bürgermeister West in die Linkspartei eingetreten ist, haben er und sein 520-Seelen-Dorf Landkreis Kusel einige Berühmtheit erlangt. Feierten die Linken doch ausgerechnet in Kurt-Beck-Land Premiere, wo der rheinland-pfälzische Ministerpräsident mit absoluter Mehrheit regiert und die Linkspartei vom Verfassungsschutz beobachten lässt.
Mit dem Schritt in die Linkspartei hatte sich der Ortsbürgermeister zurückgehalten, bis die drei Buchstaben PDS aus deren Namen verschwunden waren. Dann gab es für ihn keinen Grund mehr, dem „ungezügelten Kapitalismus, in dem die Wirtschaft floriert aber der Mensch auf der Strecke bleibt“, den Kampf anzusagen. Seitdem sind nicht nur mehr als acht Monate ins Land gezogen, sondern auch: Nokia, Siemens und Liechtenstein.
Die anfängliche Bescheidenheit des Ortsbürgermeisters ist längst dem Selbstbewusstsein des Genossen Drumm gewichen: „Der Salto rückwärts von Kurt Beck zeigt doch nur, dass er an der Linken nicht mehr vorbeikommt. Der hat gemerkt, dass er seine Machtposition nur halten kann, wenn er eine neue Option für Koalitionen offen hält“, sagt Drumm über den SPD-Chef.
Für die Linke ist Ortsbürgermeister Drumm die Idealbesetzung. Der 57-jährige Vater zweier erwachsener Töchter, gelernter Maler und Lackierer, ehemaliger Zeitsoldat und Fanbetreuer des 1.FC Kaiserslautern, Beamter der Kreisverwaltung und seit 1994 in der Personalverwaltung einer Klinik tätig, verkörpert nahezu perfekt das „Kümmerer-Imgage“, mit dem die Linke auch in den Kommunen im Westen Fuß fassen will. Menschen und Schicksale am Rand der Gesellschaft lernte er schon während seiner Ausbildungszeit im Sozialamt und als ehemaliger Vollstreckungsbeamter kennen.
Bodenständig und traditionsbewusst sind die Menschen in der Westpfalz – und sie wählen SPD, meistens jedenfalls. Die Kommunalwahlen im nächsten Jahr dürften in einer Art mildem Reizklima stattfinden. Ganz so wie es die Tourismuswerbung des „Kuseler Musikantenlandes“ verspricht.
Text und Foto: Eva Stern Frankfurter Rundschau, 3. April 2008