Shary Reeves: Ich würd’ mich gucken

Dez 26th, 2009 | By | Category: Flimmern und Rauschen, Rede und Antwort

Als Moderatorin der Fernsehsendung „Wissen macht Ah!” ist  Shary Reeves nicht nur Kindern ein Begriff. Die Kölnerin mit afrikanischen Wurzeln passt in keine Schublade. Sie singt, schreinert und schauspielert – und würde gern die Sportschau präsentieren. Ein Gespräch über Vielseitigkeit und Leidenschaft.

Frau Reeves, mögen Sie Kinder?
Mögen? Ich liebe Kinder. Ich finde sie hervorragend, großartig, außergewöhnlich. Ich vergöttere sie.

Sie sind schließlich ihr Publikum …
Nicht nur sie. Ich freue mich, wenn Erwachsene mir erzählen, dass sie unsere Sendung sehen, obwohl sie gar keine Kinder haben. “Wissen macht Ah!” ist Familienprogramm für alle, die sich ihre kindliche Neugier erhalten haben.

Das klingt nach Pippi Langstrumpf.
Es passiert selten, aber wenn Kinder einen in ihre Welt hineinlassen, dann ist das etwas sehr Besonderes.

Ist es eine bessere Welt?
Weiß ich nicht. Es ist die Welt, in der ich mich wohler fühle. Insofern ist es für mich die bessere Welt.

Was lässt Sie sich dort wohler fühlen?
Es ist eine Welt ohne Lügen. Kinder sind authentisch, total ehrlich. Das ist das, was ich bei Menschen suche. Ich hasse Lügen.

Ihre Sendungen sind sehr skurril. “Der große Schwarz-Weiß”, eine Quizshow vor der Fußball-WM, beschäftigt mit Fragen wie: Warum schimmelt Weißbrot schneller als Schwarzbrot? Oder: Warum ist Vogelkacke immer weiß? Das ist herrlich schräg.
Das Kompliment gebührt Ralph Caspers und den Autorinnen der “Wissen-macht-Ah!”-Filme. Ich kenne wirklich keinen, der noch schräger ist als Ralph. Ich denke auch, man darf Kinder nicht unterschätzen. Sie verstehen Ironie. Ganz sicher.

Wer war der Held Ihrer Kindertage?
Mary Poppins. Die war ja auch nicht normal.

Das “auch” haben Sie jetzt gesagt. In Ihrem Fall lässt sich “nicht normal” mit außergewöhnlich vielseitig übersetzen: Sie sind Musikerin, Schauspielerin, ausgebildete Fotoassistentin, Moderatorin, arbeiten in einer Schreinerei und engagieren sich für soziale Projekte. Sie haben sogar als Fußballerin in der Bundesliga gespielt.
Die Vielseitigkeit habe ich wohl von meinem kenianischen Vater geerbt, einem Professor der Philosophie, der auch als Journalist gearbeitet hat und für die Vereinten Nationen. Und der als erster Afrikaner ein Latein-Lehrbuch geschrieben hat. Sagt man.

Sagt man?
Ja. Ich bin ohne Vater groß geworden und habe auch heute keinen Kontakt zu ihm. Aber ich habe seine Veranlagungen geerbt. Bei mir ist es oft so: Wenn ich eine Sache kann, dann suche ich mir wieder was Neues.

Wie haben Sie das während Ihrer Schulzeit in einer katholischen Klosterschule für Mädchen gemacht?
Ich habe das Abitur. Doch im Nachhinein würde ich sagen, ich bin ein klassisches Waldorfkind. Ich hätte anders lernen müssen. Meine Begabungen hat keiner erkannt. Außer meiner Kunstlehrerin. Nachmittags habe ich viel draußen gespielt, vor allem Fußball. Und ja: Zugegebenermaßen habe ich auch viel ferngesehen.

Wenn Sie immer auf dem Sprung sind: Was ist Ihr nächstes Ziel?
Ich würde wahnsinnig gerne eine Sportsendung moderieren. Die Sportschau wäre mein absoluter Traum.

Die Zeit ist reif dafür?
(lacht) Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich hatte mich schon mal für eine Sportmoderation beworben. Damals war ich aber noch nicht so weit. Fast wäre ich jetzt für die Fußball-WM eingespannt worden. Aber es hat nicht sollen sein.

Auch wenn Sie so weit sind: Sind es die Sender und die Zuschauer auch?
Die Sender auf jeden Fall. Aber ich weiß natürlich, dass ich mir Nischen suchen muss.

Warum?
Bei Fußballsendungen sitzen überwiegend Männer vor dem Fernseher. Fußball ist “ihr” Sport.

Und dann kommt da eine Frau …
Eine dunkelhäutige Frau.

Hat das beruflich jemals eine Rolle gespielt?
Ich habe mich mal bei einem Musiksender beworben. Da hat man mich mit der Begründung abgelehnt, mein Typ sei gerade nicht gefragt. Das war schon ziemlich deutlich.

Sie können von sich behaupten, dass Fußball auch “Ihr” Sport ist. Bewerben Sie sich doch mal.
Jetzt?

Ja, bitte.
Ich liebe dieses Spiel. Ich habe es selbst in der Ersten Liga gespielt. Ich habe es verstanden. Ich kann moderieren. Ich bin authentisch. Und ich werde ganz bestimmt niemals am Spielfeldrand stehen und einen Spieler fragen: Wie haben Sie sich denn gerade bei diesem Elfmeter gefühlt?

Nein?
Nein. Ich habe diese Situation zigmal selbst erlebt. Manchmal glaube ich, viele haben auch gar nicht verstanden, dass es heute im Fußball nicht mehr um Manndeckung geht, sondern um Raumdeckung …

… Frau Reeves …
… und man wundert sich nicht, dass es Sender gibt, wo man die Kommentare abschalten kann. Das macht ein Freund von mir …

… Sie sind ja richtig in Fahrt. Die leidenschaftliche Expertin müssen Sie nicht erst einstudieren.
… der Jens Nowotny. Oh, danke! Also: Ja, ich würd’ mich gucken.

Zur Person: Shary Reeves
Shary Reeves steht seit 1996 mit Ralph Caspers für den WDR vor der Kamera. Zunächst als Moderatorin des “Maus-Club”, seit 2001 für “Wissen macht Ah!” jeweils samstags, 8.05 Uhr im Ersten. Das unterhaltsame Format hat sich zum Exportschlager gemausert mit eigenen Ausgaben in Frankreich, Russland oder China. Die Ex-Fußballerin ist als Mitglied der “Top 11 für 2011″ Botschafterin der Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland.

Eva Stern | Fotos: WDR/Thorsten Schneider/Nola Bunke

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