Ulrike Folkerts: Gelassene Lena
Okt 1st, 2010 | By admin | Category: Flimmern und Rauschen, Rede und AntwortAls “Tatort”-Kommissarin musste sich Ulrike Folkerts anfangs in einer Männer-Domäne durchboxen. Im August 2010 ermittelte sie in der Rolle der Lena Odenthal zum 50. Mal in Ludwigshafen. Mittlerweile ist sie die Chefin und muss sich und anderen nichts mehr beweisen. Auch Folkerts’ Verhältnis zu ihrer Rolle hat sich nach über 20 Jahren deutlich entspannt.
War Ihr 50. Fall als Kommissarin Lena Odenthal etwas Besonderes oder eine Folge wie alle anderen auch?
Unserem Regisseur Lars Montag war schon bewusst, dass er da einen Jubiläums-”Tatort” dreht. Er hatte sehr besondere Einfälle und hat sie zusammen mit der Kamerafrau sehr liebevoll und bis ins Detail umgesetzt.
Zum Beispiel?
Er hatte die grandiose Idee mit dem Tauchglockenschiff.
Das es dem Täter ermöglicht, trockenen Fußes auf dem Boden des Rheins zu morden.
Genau. Oder er hat die Katze gut eingebaut. Oder die Dachterrasse, auf der wir nachts draußen sitzen. Das ist so eine besondere Atmosphäre.
Und inhaltlich?
Ich hatte mir seit Langem einen Serientäter gewünscht. Und der Typ, mit dem es Lena da zu tun bekommt, ist wirklich die reine Provokation.
Starke Frauen sind ein Leitmotiv in „Hauch des Todes”. Vor 20 Jahren war Lena Odenthal noch ganz schön burschikos unterwegs. Heute braucht es keine Lederjacke mehr, um Stärke zu symbolisieren.
Damals war ich die einzige Kommissarin. Man kämpfte um seine Glaubwürdigkeit. Frauen mit Pistole? Das wurde echt belächelt. Lena war jung und musste zeigen, was sie drauf hat. Auch Ulrike Folkerts durfte sich an der Rolle und den starken Schauspielpartnern die Zähne ausbeißen. Heute ist Lena Odenthal eine erfahrene Polizistin. Sie ist die Chefin “vom Janzen” und muss nicht mehr beweisen, dass sie diesen Job gut macht. Sie hat eine größere Gelassenheit.
Gibt es Parallelen zwischen Lena Odenthal und Ulrike Folkerts?
(lacht) Naja, ich wäre natürlich auch froh, wenn Ulrike Folkerts ein bisschen gelassener geworden wäre. Aber doch, ja: Auf jeden Fall profitiert eine Figur von der Entwicklung einer Schauspielerin und umgekehrt.
Kommissarinnen sind heute selbstverständlich. Welche Ihrer “Tatort”-Kolleginnen mögen Sie besonders?
Ich mag Eva Mattes. Als ich noch davon träumte, Schauspielerin zu werden, fand ich Eva Mattes schon großartig. Auch Sabine Postel schaue ich gern. Und ich mochte Andrea Sawatzki in Frankfurt. Anneke Kim Sarnau vom Polizeiruf finde ich auch gut.
Ist ein guter “Tatort” eher Gesellschaftskritik oder eher Krimi?
Die Mischung macht’s. Ich mache drei “Tatorte” pro Jahr. Da ist es schön, wenn man sagt: Wir nehmen ein gesellschaftlich relevantes Thema, wir machen einen Thriller und vielleicht auch mal einen Actionfilm. Genau diese Mischung macht das Format für einen Schauspieler interessant.
Und was sagt die Zuschauerin Ulrike Folkerts?
Die sagt dasselbe. Es wird einfach nicht langweilig.
Der “Tatort” ist vor 40 Jahren als Kriminalfilm an den Start gegangen. Heute hat fast jeder Ermittler ein Privatleben. Und den Münsteraner “Tatort” schaltet man auch ein, weil man da etwas zu lachen hat.
Es gibt immer mehr Ermittler. Neue Formate wollen herausstechen und müssen sich was einfallen lassen. Das finde ich auch gut. Man darf nur nicht daherkommen und sagen: So, jetzt müssen wir auch lustig werden. Diese Diskussionen gab es. Auch bei uns. Machen wir nicht zu viel schwere Kost? Muss der Zuschauer nicht mal was zu schmunzeln haben?
Und?
Das gelingt eben nicht bei jedem Drehbuch. Die komischen Dinge sind schwer zu schreiben. Klar ist es lustig, wenn Koppers italienische Klapperkiste nicht anspringt und Lena schieben muss. Aber das kann man nicht jedes Mal machen.
Komik ist Kunst?
Komik ist eine wirklich schwere Kunst. Das haut nicht immer hin. Aber ich denke, “Tatort” hat auch so eine große Chance, weiter beliebt zu sein. Ich werde ihn immer gucken.
Sind Sie ein “Tatort”-Junkie? Darf man Sie sonntags 20.15 Uhr anrufen?
Im Sommer sitze ich dann noch draußen oder bin mit Freunden unterwegs. Aber im Winter gehöre ich schon zu den regelmäßigen Guckern.
Welche Themen würden Sie gerne im Ludwigshafener “Tatort” aufgreifen?
Unter anderem wird es einen “Tatort” aus dem Wanderzirkus-Milieu geben und einen zum Frauenfußball.
Was ist an Frauenfußball kriminell?
(lacht) Das werde ich im November oder Dezember im Drehbuch lesen.
Solange die Drehbücher gut sind, wollen Sie weiter Verbrecher jagen. Ihr Verhältnis zur “Tatort”-Rolle war nicht immer so entspannt.
Das stimmt. Das hat sich aber gegeben, weil meine Rechnung aufgegangen ist, Lena nicht aufgeben zu müssen, um andere Dinge zu machen. Seit ein paar Jahren funktioniert das sehr gut. Ich bekomme schöne Aufgaben und darf danach wieder “Tatort” drehen. Das ist wunderbar.
Was ist vorher schief gelaufen?
Ich habe das nie so genau analysiert. Vielleicht dachten die Leute, als “Tatort”-Kommissarin ist man zu teuer oder will nur Hauptrollen spielen. Und in anderen Krimis hat man als “Tatort”-Gesicht ohnehin keine Chance. Verständlicherweise. Und dann muss man eben auch einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.
Was ist Ihr bester “Tatort”?
Den gibt es nicht. Jeder ist auf seine Art besonders.
Dann andersherum: Gibt es einen schlechten?
Den verrat’ ich nicht. Dann schreiben Sie über den schlechtesten und der beste kommt nicht vor.
Den kenne ich ja gar nicht.
Jeder hat da eine eigene Meinung. “Hauch des Todes” ist für mich definitiv einer der herausragenderen. Auch von der Machart.
Eva Stern | Foto: SWR