Armin Maiwald: Recht auf Unterhaltung
Mrz 12th, 2011 | By admin | Category: Flimmern und Rauschen, Rede und AntwortDiese Stimme. Unter Millionen würde man sie sofort heraushören. Kaum ist das erste Wort gesprochen, taucht auch schon die große orange Maus samt kleinem blauen Elefant vor dem geistigen Auge auf und die Maus-Melodie schleicht sich in die Ohren. Diese Stimme gehört Armin Maiwald. Der Maus-(Mit)Erfinder meldet sich mit „Ja, bitte“, bei mir geht der Maus-Film an und ich frage völlig perplex „Sind Sie’s, Herr Maiwald?“ Ein Lach- und Sachinterview .
Sie wollen kein Star sein und – wie Sie mal so schön formuliert haben – nicht auf einem Podest stehen, weil …
dann irgendwann ein Hund kommt, der dran pinkelt. Ich muss keine Kultfigur sein.
Die Sendung mit der Maus ist Kult. Sie hat eine riesige Fangemeinde und trägt sogar den Stempel „pädagogisch wertvoll“. Am Anfang hagelte es Kritik von allen Seiten: zu schnell, zu bunt, zu wenig kritisch, hieß es.
Ja, das ist ja das Verrückte. Die Leute, die uns damals in Grund und Boden gewünscht haben, sind die, die uns heute so furchtbar loben.
Stört Sie diese Vereinnahmung – auch wenn sie von der „richtigen“ Seite kommt?
Da halte ich es mit Hanns Joachim Friedrichs, der sagte: „Ein guter Journalist macht sich mit keiner Sache gemein. Auch nicht mit der guten.” Man muss bei der Maus nichts lernen. Natürlich ist es nicht verboten, hinterher ein bisschen schlauer zu sein. Aber wir arbeiten in einem Unterhaltungsmedium. Wir können, wollen und dürfen Schule nicht ersetzen. Wir arbeiten nach dramaturgischen Gesichtspunkten – nicht nach Lernzielkatalogen.
Kinder haben auch ein Recht auf Unterhaltung und zweckfreien Spaß?
Ja. So ist es.
Sie haben selbst zwei erwachsene Kinder. Wenn die heute noch klein wären: Was dürften sie nicht gucken?
Ich würde sie sicherlich daran hindern wollen, diese japanischen Zeichentrickserien zu sehen, wo es ständig nur Knall, Bumm, Peng macht. Das sogenannte Kinderfernsehen der privaten Sender würde ich wahrscheinlich versuchen, ihnen abzuschlagen.
Kinder werden bisweilen abgeschoben – mit dem eigenen Fernseher ins eigene Zimmer …
Das ist schlimm. Auch Computer im Kinderzimmer halte ich für keine gute Idee. Nicht weil ich Computer schlecht finde, sondern weil dadurch eben auch eine ganze Menge Schund im Kinderzimmer landen kann. Da sind die Eltern in der Verantwortung. Ich würde meine Kinder damit nicht alleine lassen. Man muss nachfragen: Was macht ihr da gerade, was schaut ihr euch an, mit wem chattet ihr?
Wären Sie heute gerne Kind?
Die Frage hab’ ich mir nie gestellt und werde ich mir auch nicht stellen.
Deshalb stelle ich sie ja …
Ich habe meine Kindheit gehabt. Das war in der Kriegs- und Nachtkriegszeit. Das war eben so und es war okay. Ich habe die Verhältnisse damals als normal empfunden. Ich möchte auch nicht nochmal 20 sein. Ich halte das alles für Blödsinn.
Was ist das Geheimnis einer glücklichen Kindheit?
Das Geheimnis einer glücklichen Kindheit sind die Eltern. Eltern, die sich um einen kümmern. Das hat nichts mit Geld zu tun, sondern mit persönlicher Zuwendung und Aufmerksamkeit, der Bereitschaft, sich den Kindern zu öffnen, sie ernst zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Das tun Sie in Ihren Sendungen. Die Recherchen sind sehr aufwendig. Die Maus-Einspieler sind so gut, dass sie sogar als Lehrfilme an der Uni gezeigt werden.
Man kann das nicht besser erklären’, hat mir mal ein Professor über einen unserer Filme gesagt. Das ist ein tolles Kompliment. Wenn auch nicht aus unserer eigentlichen Zielgruppe. Die Recherche ist aber nur ein Teil der Wahrheit, der zweite Teil ist die Umsetzung: Wie wird daraus eine gute Geschichte? Sie muss einfach sein und für jeden nachvollziehbar. Es muss kindlich gemacht aber keinesfalls kindisch sein. Kein heiteitei.
Sie sind jetzt 71 Jahre alt: Haben Sie noch Lust auf die Maus?
Klar. Soll ich zu Hause die Blümchen an der Tapete zählen? Ich brauch’ das, diesen Produktionsstress. Die Arbeit ist eben Teil meines Lebens. Ich kann und will es mir nicht anders vorstellen.
Es gibt keine großen Pläne oder einen Traum, den Sie sich noch verwirklichen möchten?
Ach was. So etwas wie „Ich muss nochmal nach Alaska fahren” oder „Ich muss mir den linken Fuß absägen, um zu sehen ob das weh tut”? Noch dahin oder dorthin? Das hab’ ich nicht und das brauche ich nicht. Ich lebe im Hier und Jetzt. Ich will mit offenen Augen durch die Gegend gehen, neugierig bleiben, gucken, was um mich herum passiert und daraus Geschichten machen. Mein Traum? Den nächsten Tag zu überleben und gesund zu bleiben. Und das ist alles. Fertig. Aus die Maus.
Zur Person
Armin Maiwald wurde 1940 in Köln geboren und studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie an der Universität Köln. Seine Karriere beim Fernsehen begann er als Kabelhilfe beim WDR. Später arbeitete er als Regieassistent und Regisseur und gründete schließlich eine eigene Filmproduktionsfirma. Er zählt zu den Erfindern der „Sendung mit der Maus“, die in diesem Frühjahr ihren 40. Geburtstag feiert. Armin Maiwald hat mehr als 800 Sachfilme für Sendung mit der Maus produziert. Seine Sachgeschichten sind in der „Bibliothek der Sachgeschichten“ zusammengefasst. Für seine Filme und Sachgeschichten wurde Maiwald mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Adolf-Grimme Preis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem Bundesverdienstkreuz. Maiwald lebt in Köln. Seine Frau lernte er schon im Studium kennen. Sie sind seit 50 Jahren ein Paar und haben zwei erwachsene Kinder.
Eva Stern | Fotos: WDR/Dirk Borm